„Demokratie ist nicht nur ein System für sich, sondern hängt davon ab, dass sie gelebt wird, dass die Menschen demokratisch partizipieren.“ – Mit diesen Worten Reinhard Mohns begrüßte der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung Aart De Geus die anwesenden Delegierte aus Ministerien, Kommunalverwaltungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Politik im Berliner Umweltforum. Wie in Zeiten von Populismus, schwachen Parteien und sozialer Spaltung die demokratische Partizipation gelingen kann stand im Mittelpunkt der Tagung.
Wieweit können neue Formen der Bürger*innenbeteiligung den Einfluss der Bevölkerung auf politische Entscheidungen erhöhen? Nach einem Jahr intensiver Arbeit kamen die Mitglieder der von der Bertelsmann Stiftung initiierten Allianz zusammen und stellten Zwischenergebnisse vor. 18 konkrete Lösungsvorschläge wurden entwickelt, um neue Formen der Bürger*innenbeteiligung zu stärken und das Zusammenwirken mit dem traditionellen repräsentativen System zu verbessern.
Um die Beteiligung von Bürger*innen zu stärken und mit bestehenden Entscheidungsstrukturen zu verknüpfen setzt die Allianz Vielfältige Demokratie auf klare Regeln und Verbindlichkeit. So wie es Spielregeln für das Zusammenspiel beim Fußball gibt, braucht es auch Spielregeln für das Zusammenspiel von Politik, Verwaltung und Bevölkerung – davon sind 90 Prozent der Allianzmitglieder überzeugt. Insbesondere beim Umgang mit Ergebnissen aus Projekten der Bürger*innenbeteiligung besteht dringender Regelungsbedarf, denn oft gibt es von Seiten der Personen mit Entscheidungsbefugnis aus Politik und Verwaltung kein Feedback zu den Vorschlägen aus der Bevölkerung. Ein verpflichtender Rechenschaftsbericht, der informiert, welche Vorschläge bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurden und begründet, warum welche Vorschläge nicht berücksichtigt wurden, wäre ein erster wichtiger Schritt der Anerkennung und des konstruktiven Miteinanders.
Defizite in der Vorbereitung und Durchführung von Beteiligungsverfahren für Bürger*innen führen oft zu Frustrationen bei allen Beteiligten. Um die Zufriedenheit der Beteiligten zu erhöhen und die Qualität zu verbessern, hat die Allianz zehn Grundregeln für die Qualität von Bürger*innenbeteiligung erarbeitet. Für ein qualitativ hochwertiges Beteiligungsverfahren ist es z. B. wichtig, dass die Bereitschaft Aller zum Dialog vorhanden ist, dass Ziele und Gestaltungsspielräume klar und ausreichende Ressourcen für die Beteiligungsverfahren der Bürger*innen vorhanden sind. Gut ein Drittel der Allianzmitglieder wenden die Qualitätsregeln bereits an. Mehr als zwei Drittel wollen sich dafür einsetzen, dass diese Grundregeln bekannt und zur verbindlichen Praxis werden.
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Neben der Verwirklichung verbindlicher Standards arbeitet die Allianz auch an Anreizstrukturen und Hilfestellungen für Beteiligungs-Praktizierende. Mit der Entwicklung eines Coaching-Konzepts für Kommunalpolitiker*innen engagiert sie sich etwa für eine höhere Partizipationskompetenz in der Politik. Mit dem Modell „Partizipative Gesetzgebungsverfahren“ empfiehlt die Allianz die frühzeitige Öffnung von Gesetzgebungsverfahren für die Beteiligung der Bevölkerung. Mit einer Musterleitlinie gibt sie Verwaltungen Praxistipps für die Herstellung von Transparenz an die Hand. Darüber hinaus hat sich die Allianz das Ziel gesetzt, der sozialen Spaltung in der Demokratie entgegenzuwirken.
Geprägt war die Allianztagung vom persönlichen Austausch und kollegialem Feedback. Die 18 Lösungsvorschläge wurden an Marktständen präsentiert und an Thementischen diskutiert, in „Speed-Dates“ konnten neue Kontakte geknüpft und bestehende vertieft werden. Den programmatischen Abschluss bildete schließlich Christian Udes Dinner-Speech. Auf amüsante Art und Weise teilte der ehemalige Münchner Oberbürgermeister seine Erfahrungen über den Dialog zwischen der Politik und den Bürger*innen mit den Allianzmitgliedern.