Im Rahmen der Veranstaltung „Brücken bauen – Mehr Dialog in Krisenzeiten“, veranstaltet von der Sächsischen Staatskanzlei, fand die Jahrestagung der Allianz Vielfältige Demokratie 2023 in Pirna statt. Mit freundlicher Unterstützung der Sächsischen Staatskanzlei und der Stadt Pirna durfte die Allianz Vielfältige Demokratie auch in diesem Jahr wieder zu spannenden Diskussionen auf der Bühne, an Thementischen und in Themenkreisen der Allianz einladen. Zum Austausch über Themen der Bürgerbeteiligung fanden sich insgesamt über 120 Personen im Tom-Pauls-Theater, im Stadthaus Pirna und im Rathaus Pirna ein.
Brücken bauen – auch untereinander
© Matthias Rietschel
Jörg Sommer, Direktor des Berlin Institut für Partizipation, eröffnete die Veranstaltung, die zugleich als Fachveranstaltung, als Jahrestagung der Allianz Vielfältige Demokratie und als Treffen des sächsischen Erfahrungs- und Beratungsnetzwerks Bürgerbeteiligung fungierte. Diese Mischung war, wie Sommer betonte, keinesfalls Zufall, sondern eine bewusste Verbindung, um auch netzwerkübergreifend Brücken zu bauen. Anschließend übergab er an die Moderator*innen Vanessa Edmeier, Geschäftsführerin der Hochrheinkommission, und Sebastian Reißig, Geschäftsführer der Aktion Zivilcourage e. V.
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In seinem Grußwort betonte Prof. Thomas Popp, Staatssekretär für Digitale Verwaltung, die Bedeutung von Bürgerbeteiligung. Mit ihrer Hilfe könne die Distanz zwischen Politik und Bürger*innen, vor allem im kommunalen Kontext, reduziert werden. Besonders in Krisenzeiten muss Demokratie ständig verteidigt werden – innerhalb wie außerhalb der Parlamente.
Anschließend hieß der Oberbürgermeister der Stadt Pirna, Klaus-Peter Hanke, alle Teilnehmenden in Pirna herzlich willkommen. Gerade aufgrund der eigenen Erfahrungen in den krisenhaften Pandemiejahren, denen Pirna mit einem engen Bürgerdialog begegnete, freue er sich, die Räume für diese Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen.
Bürgerbeteiligung zur Stärkung der Demokratie
Im anschließenden partizipativen Panel mit Katja Meier (Sächsische Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung), Prof. Thomas Popp (Staatssekretär für Digitale Verwaltung), Sebastian Vogel (Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt), Klaus-Peter Hanke (Oberbürgermeister der Stadt Pirna), Prof. Dr. Manuela Glaab (Professorin für Politikwissenschaft an der Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau) wurde zum Thema „Brücken bauen – Mehr Dialog in Krisenzeiten“ diskutiert.
Katja Meier hob dabei besonders hervor, dass Demokratie mehr als Wahlen sei und besonders Dialoge notwendig seien. Als Beispiel führte sie den sächsischen Bürgerrat zum Thema Corona an. Gleichzeitig müsse bei solchen Formaten aber auch gutes Erwartungsmanagement betrieben und transparent begründet werden, sollten erarbeitete Vorschläge nicht umsetzbar sein. Sebastian Vogel betonte seinerseits die Bedeutung der Kommunen in der Bürgerbeteiligung.
Diese benötigten in der Umsetzung von Bürgerbeteiligungsprozessen Unterstützung – sowohl finanziell als auch was die kommunale Verantwortlichkeit betrifft. Prof. Dr. Manuela Glaab berichtete aus wissenschaftlicher Sicht, wie wichtig Grundvertrauen in politische Institutionen sei. Dieses könne insbesondere durch Dialogverfahren gestärkt werden. Zur Rolle der Wissenschaft in Krisensituationen betonte sie die Pflicht zur analysierenden und rationalen Vorgehensweise. Klaus-Peter Hanke veranschaulichte, wie Pirna während der Corona-Pandemie von einer doppelten Krise getroffen wurde. Einerseits von der Pandemie an sich und andererseits von Demokratie-Gegner*innen, welche die Pandemie für ihre Zwecke instrumentalisierten.
Die schweigende, demokratische Mitte sei, so Hanke, in solchen Situationen von besonderer Bedeutung. Sie müsse zeigen, dass laute Demokratie-Gegner*innen keinesfalls die Mehrheit der Bevölkerung repräsentieren. Prof. Thomas Popp argumentierte zur Digitalisierung der Verwaltung, dass Analoges nicht unhinterfragt digitalisiert werden dürfe. Digitalisierung an sich sei ein Handwerksmittel, nicht mehr und nicht weniger – auch in Bezug auf Bürgerbeteiligung. Außerdem soll Politik immer versuchen, mit demokratischen Mitteln zu überzeugen, indem lösungsorientiert gearbeitet wird und über Funktionierendes gesprochen wird.
Intensiver Diskurs an Thementischen
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Nach einer kurzen Kaffee- und Kuchenpause ging es in die Thementische. Dort wurden unterschiedlichste Themen mit Bezug zu Bürgerbeteiligung in kleineren Runden diskutiert – von digitalen Beteiligungsplattformen über Bürgerräte bis hin zur Partizipation in der Arbeitswelt. Einige Ergebnisse und Diskussionsgegenstände haben wir Ihnen hier zum Download zusammengestellt.
Dokumentation der Thementische
Demokratie erweitern und ergänzen
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Das Abendprogramm startete mit einer komödiantischen Eröffnung durch den Kabarettisten Tom Pauls, der die Gäste in die Besonderheiten der sächsischen Mundart einführte. Anschließend betrat der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer die Bühne, um sich den Fragen des Moderators Jörg Sommer und des Publikums zu stellen. In der Diskussion hob Michael Kretschmer dabei zwei Aspekte besonders hervor:
Zum einen sei es ihm wichtig, als Demokrat auch auf Menschen mit anderer Meinung zuzugehen. Kompromissbereit zu sein und andere Meinungen als solche zu tolerieren und nicht zu diskreditieren, sei für ihn eine wichtige Voraussetzung für demokratische Diskussionen. Außerdem sei es notwendig, die breite Mitte sachlich zu adressieren und sichtbar zu machen.
Zum anderen betonte auch er die Bedeutung des Dreiklangs in der Beteiligung – direktdemokratische Formen, repräsentative Demokratie und dialogische Verfahren. Da Parteien weiter an Bindungskraft verlieren, sei es aus seiner Sicht notwendig, die repräsentative Demokratie durch andere Formate zu ergänzen. Nur so können Bürger*innen auch außerhalb von Parteien politische Selbstwirksamkeit erfahren. Erleben Bürger*innen hingegen ein Gefühl der politischen Ohnmacht, so bestehe die Gefahr, dass diese versucht sind, ihre Positionen auch jenseits demokratischer Prozesse und Institutionen durchzusetzen.
Medienpreis Vielfältige Demokratie 2023
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Im Anschluss wurde der Medienpreis Vielfältige Demokratie 2023 durch Ministerpräsident Kretschmer verliehen. Der diesjährige Preisträger ist Thilo Schmidt für den Beitrag „Sarah geht wählen“ im Programm von Deutschlandfunk Kultur. In der Audioreportage begleitet Thilo Schmidt die Protagonistin Sarah, eine Frau mit geistiger Behinderung im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 – für viele Menschen mit geistiger Behinderung die erste, an der sie aktiv teilnehmen durften. Vor diesem Hintergrund wird im Beitrag der Lebensalltag von Bürger*innen mit Behinderung und ihr Blick auf Politik greifbar gemacht. Eindrücklich fordern die Interviewpartner*innen, dass auch ihre Stimmen von der Politik gehört werden sollen. Thilo Schmidt hebt so hervor, dass vielfältige Demokratie immer auch Menschen mit geistiger Behinderung und ihre spezifischen politischen Positionen und Forderungen mitdenken und integrieren muss. Die weiteren Finalist*innen waren Kathrin Aldenhoff mit dem Beitrag „Es tagt der Klassenrat“ in der Süddeutschen Zeitung und Jonas Schaible mit dem Buch „Demokratie im Feuer“. Alle drei Beiträge werden von der Allianz Vielfältige Demokratie honoriert.
Arbeit der Allianz
Am zweiten Tag debattierten die Mitglieder der Allianz Vielfältige Demokratie zunächst zur zukünftigen Entwicklung der Allianz, bevor dann in den jeweiligen Themenkreisen zu ausgewählten Themen der Bürgerbeteiligung diskutiert wurde.
Abschließend möchten wir uns bei allen Teilnehmer*innen der Veranstaltung bedanken, die mit ihren Ideen und Diskussionsbeiträgen mitgewirkt und die inhaltliche Debatte inspiriert haben. Ein großer Dank geht natürlich auch an die großartigen Gastgeber der sächsischen Staatskanzlei, der Stadt Pirna und dem Tom-Pauls Theater, sowie den zahlreichen Helfer*innen! Wir freuen uns auf die zukünftige Zusammenarbeit sowie die nächste Jahrestagung.