Jahrestagung 2024
Im Rahmen der Veranstaltung „Innovative Öffentlichkeitsbeteiligung – Erfahrungen nutzen, Potenziale entfalten“ fand die Jahrestagung der Allianz Vielfältige Demokratie 2024 in der Stadt Köln statt. Mit freundlicher Unterstützung des Büros für Öffentlichkeitsbeteiligung der Stadt Köln durfte die Allianz Vielfältige Demokratie auch in diesem Jahr wieder zu spannenden Diskussionen auf der Bühne, an Thementischen und in Themenkreisen der Allianz einladen. Zum Austausch über Themen der Bürgerbeteiligung fanden sich insgesamt über 80 Personen im Historischen Rathaus ein.
Erfahrungen nutzen und voneinander lernen
Der Direktor des Berlin Institut für Partizipation, Jörg Sommer, betonte in seiner Begrüßung die Relevanz, aus eigenen sowie fremden Fehlern zu lernen sowie diese Lehren bekannt zu machen. Auch deshalb habe der stetige Austausch innerhalb des Netzwerks Allianz Vielfältige Demokratie einen so großen Wert für die Weiterentwicklung der politischen Beteiligungslandschaft. Neben Mitgliedern der Allianz Vielfältige Demokratie und lokalen Beteiligungsakteur*innen, waren auch Kölner Verwaltungsmitarbeitende geladen, die bislang wenig Beteiligungserfahrungen gemacht haben. Auch für jene bietet die Veranstaltung die Gelegenheit zum Lernen und für gemeinsamen Austausch.
Anschließend übergab Jörg Sommer an Katharina Pitko, Leiterin des Kölner Büros für Öffentlichkeitsbeteiligung, und Maik Dick, Leiter des Kölner Innovationsbüros, die deren Grundverständnis von Öffentlichkeitsbeteiligung erläuterten und Einblicke in die Beteiligungspraxis der Stadt Köln lieferten. Zentral in ihrem Vorgehen ist die Sicherstellung einer systematischen Qualität. Hierfür orientiert sich die Öffentlichkeitsbeteiligung in Köln bei der Problemlösung am Konzept des Service Design Thinking. Eine umfassende Analyse sowie ein entsprechendes Problemverständnis stellen zentrale Eckpfeiler ihrer Beteiligungsprozesse dar.
An dieser Stelle übernahm das Moderationsduo, bestehend aus Claudia Peschen und Michael Schell, die Begleitung durch den Veranstaltungstag.
Innovation und Partizipation
Im anschließenden Panel wurde mit Dr. Birgit Böhm (nexus Institut und TU Berlin), Dr. Davide Brocchi (freiberuflich), Maik Dick (Stadt Köln) und Katharina Pitko (Stadt Köln) zum Thema „Innovative Öffentlichkeitsbeteiligung“ diskutiert. Hierbei wurde die Innovation von Verwaltung und der Beteiligungspraxis sowie die Frage, wie beides zusammenhängt, beleuchtet.
Als freiberuflicher Sozialwissenschaftler forscht und berät Davide Brocchi zu sozialen und kulturellen Transformationsprozessen, etwa im Bereich der Stadt- und Quartiersentwicklung. Für soziale Transformation müsse man sich Fragen wie „Wem gehört die Stadt?“, „Für wen werden Entscheidungen getroffen?“, „Wie wollen wir gemeinsam in einer Stadt leben?“ gemeinsam neu stellen. Zudem betonte Davide Brocchi die Relevanz einer innovativen Verwaltung, die näher an den Bürger*innen ansetzt und unter einer demokratischen Kontrolle steht. So werden etwa die Verwaltungen skandinavischer Länder als Eigentum der Bürgerschaft begriffen, so dass partizipative Prozesse auf einer gänzlich anderen Grundlage vollzogen werden können. In der italienischen Stadt Bologna hingegen ist die Verwaltung nicht zentral, sondern auf Quartiersebene organisiert. Dies stelle sicher, dass die lokalen Bedarfe der Bürger*innen besser und schneller aufgenommen werden können. Insgesamt ist relevant, so Brocchi, dass die Beteiligung der Bürger*innen in den politischen Strukturen verankert ist.
Dr. Birgit Böhm leitet den Bereich „Akademie für Partizipative Methoden“ am nexus Institut sowie den Bereich „Technik und Beteiligung“ am Institut für Berufliche Bildung der TU Berlin. In ihrem Eingangsstatement unterstrich sie, dass Bürger*innen bei Veränderungsprozessen beteiligt werden müssen und betonte dabei die Relevanz einer vielfältigen Beteiligung. Hierbei dürfe es allerdings nicht um eine inflationäre Beteiligung gehen. So würde innovative Öffentlichkeitsbeteiligung vor allem, durchdachte und sinnvolle Beteiligung bedeuten, die dort, wo entsprechender Gestaltungsspielraum gegeben ist, verschiedene Beteiligungsmethoden kombiniert, um die Bürgerschaft in der Breite anzusprechen. Eine Verzahnung digitaler und analoger Prozesse sei zudem auch innerhalb der Verwaltung notwendig, um die Bürger*innen in der heutigen Zeit noch zu erreichen.
Im Rahmen ihrer Arbeit im Büro für Öffentlichkeitsbeteiligung setzt sich Katharina Pitko insbesondere mit möglichen Innovationen der kommunalen Beteiligungsprozesse auseinander und berät dazu Kolleg*innen in der Konzeption, Umsetzung und Evaluation. Innovation, so Frau Pitko, schlägt sich im Kölner Beteiligungsbüro etwa durch dessen besondere Struktur nieder. So ist das Büro kooperativ, zwischen dem städtischen sowie dem stadtgesellschaftlichen Büro, der Kölner Freiwilligenagentur, organisiert. Das Zusammenfließen der Impulse aus der Verwaltung auf der einen und der Zivilgesellschaft auf der anderen Seite sei so institutionell verankert und Bestandteil jedes Beteiligungsprozesses. Zudem setzt das Kölner Büro regelmäßig neue Formate der Beteiligung um, wie etwa die „100 Tage Challenge“, bei der die Verwaltungsmitarbeitenden dazu angehalten sind in der Kinder- und Jugendbeteiligung innerhalb von 100 Tagen Rückmeldung zu jeder eingegangenen Anfrage zu geben und transparent zu machen, was mit jenen im weiteren Verlauf geschieht.
Als Leiter des Innovationsbüros der Stadt Köln berät Maik Dick zu Themen des Veränderungs- und Innovationsmanagements innerhalb der Stadtverwaltung. Für eine innovative Verwaltung braucht es ihm zufolge einen Kulturwandel, im Zuge dessen die Verwaltungen eine stärkere Bürger*innen-Orientierung entwickeln. Um neuen Herausforderungen zu begegnen, braucht es, so Dick, neue Ideen und eine Einbeziehung der Nutzer*innen. Den derzeitigen Leidensdruck, sowohl auf bürgerschaftlicher als auch auf Verwaltungsseite, begreift Herr Dick als Motor jenes Wandels. Zwar brauche es ausreichend Raum für kreative Ideen, um jenen Herausforderungen begegnen zu können, zugleich bleibe es aber Aufgabe der Verwaltung als stabiler Kern zu fungieren, der Recht und Gesetz aufrechterhält.
Intensiver Diskurs an Thementischen
Nach einer kurzen Kaffee- und Kuchenpause ging es in die Thementische. Dort wurden unterschiedlichste Themen mit Bezug zu innovativer Beteiligung in kleineren Runden diskutiert – von losbasierten Beteiligungsformaten, über geschlechtergerechte Beteiligung bis hin zu konkreten Praxisbeispielen. Einige Ergebnisse und Diskussionsgegenstände haben wir Ihnen hier zum Download zusammengestellt.
Medienpreis Vielfältige Demokratie 2024
Im Anschluss wurde der Medienpreis Vielfältige Demokratie 2024 durch den Bürgermeister Dr. Ralph Elster, und Jörg Sommer verliehen. Der diesjährige Preisträger ist das Redaktionsteam von „andererseits – Magazin in leichter Sprache“, vertreten von Constanze Busch, Autorin und Übersetzerin für Leichte Sprache. Das österreichische Magazin will insbesondere Menschen mit Behinderungen in der eigenen Meinungsbildung unterstützen. Jörg Sommer, Direktor des Berlin Instituts für Partizipation und Koordinator der Allianz Vielfältige Demokratie, begründete die Entscheidung der Allianz-Mitglieder: „Nur wer sich unabhängig informieren kann, kann auch gute Entscheidungen für unsere Demokratie treffen”. Weitere Auszeichnungen gingen an Jan Schmidbauer für die in der Süddeutschen Zeitung erschienene Reportage „Lange Leitung“ und Judith Geffert für den Hörfunk-Beitrag „Neuköllner Jugendliche – Cintia und Klevis kämpfen für Veränderung “. Alle drei Beiträge werden von der Allianz Vielfältige Demokratie honoriert.
Kölsche Vielfalt im Puppentheater
Das Abendprogramm fand anschließend im Hänneschen Theater, dem Kölner Puppentheater, statt. Nach der Begrüßung durch die Intendantin, Mareike Marx, wurde der Abend mit einer musikalischen Einlage des Schauspielers und Musikers, Martin Moos, eröffnet. Dem folgte eine kleine Darbietung aus der Knollendorfer Bevölkerung. Beim Beteiligungs-Bazinga wurde anschließend, um ein Kölner Wein-Präsent geknobelt. Der gemeinsame Gesang zweier kölsche Volkslieder rundete das Abendprogramm ab. Bei Abend-Buffet und Kölsch fand der Veranstaltungstag schließlich einen geselligen Ausklang.
Arbeit der Allianz
Am zweiten Tag fanden sich die Mitglieder der Allianz Vielfältige Demokratie im Zukunftslabor der Stadt Köln ein. Nach einer Begrüßung und Vorstellung des Veranstaltungsortes durch Anastasia Bondar, moderierten Christine Dörner und Astrid Köhler (Kompetenzzentrum Bürgerbeteiligung e. V.) einen gemeinsamen Austausch zum Thema Beteiligung als Demokratieförderung. Vor dem Hintergrund des aktuellen gesellschaftlichen und politischen Rechtsrucks wurden dabei in Kleingruppen konkrete Maßnahmen diskutiert, die zeitnah umgesetzt werden können und zu einer Stärkung der Demokratie beitragen sollen. Anschließend wurde in den jeweiligen Themenkreisen zu ausgewählten Themen der Bürgerbeteiligung diskutiert.
Abschließend möchten wir uns bei allen Teilnehmenden der Veranstaltung bedanken, die mit ihren Ideen und Diskussionsbeiträgen mitgewirkt und die inhaltliche Debatte inspiriert haben. Ein großer Dank geht natürlich auch an die großartigen Gastgeber*innen der Stadt Köln und dem Hänneschen Theater, sowie den zahlreichen Helfer*innen! Wir freuen uns auf die nächste Jahrestagung.